Donnerstag, 31. August 2017

Joaquim Paulo – Jazz Covers (2015)

Vinylplatten sind nach langer Durststrecke wieder auf dem Vormarsch. Kein Wunder, denn Musik kann mehr sein als nur ein MP3-Download. Vor den MP3-Dateien gab es CDs. Und vor den CDs gab es LPs aus meist schwarzem Vinyl, 30 Zentimeter im Durchmesser. Noch immer ist da die Vorfreude, wenn ich eine LP aus ihrer bunt bedruckten Papphülle ziehe, sie auf den Plattenteller lege, den Tonarm in Bewegung setze, die rotierende Platte mit einem weichen Tuch oder einer speziellen Bürste so gut es geht vom Staub befreie, wenn die Abspielnadel mit einem dumpfen Ton das Vinyl berührt und schließlich mit feinen Knacken die Rille findet, die sie nicht mehr verlassen soll, bis sie sämtliche Songs dieser Seite zu Gehör gebracht hat. Während die Musik läuft, setze ich mich mit der leeren Papphülle auf den Teppich oder in den Sessel, betrachte das Cover und lese die Informationen auf der Rück- oder Innenseite – und kann sie sogar mit bloßem Auge erkennen.

© Taschen-Verlag
Musik ist gut für die Seele. Das Cover begleitet sie visuell, unterstützt sie idealerweise. Und wenn der Fan das Cover sieht, erklingt innerlich sein jeweiliges Lieblingsstück oder Erinnerungen steigen hoch. Genau deshalb ist es immer wieder eine Freude, ein Buch mit Plattencovern zu durchstöbern. Menschen mögen Bilderbücher sowieso. Und Musikliebhaber mögen Bücher, die Plattencover zeigen. Was für eine Fundgrube! Dann blättert man und blättert und entdeckt Alben, die man einst besaß oder noch hat, die man gerne gehabt hätte oder die ein Freund sein eigen nannte oder die man vielleicht auch gar nicht kennt. Und im Geiste spielt die Musik oder man kommt auf die prima Idee, eben dieses Album mal wieder aufzulegen oder es sich nach so vielen Jahren endlich doch zu kaufen.

© Taschen-Verlag
„Jazz Covers“ von Joaquim Paulo und Herausgeber Julius Wiedemann aus dem Taschen-Verlag richtet sich natürlich speziell an Jazzfreunde. Der mit 672 Seiten ziemlich dicke Schinken ist etwas kleiner als A5 und kostet gerade mal 14,99 Euro. Fast alle gezeigten Alben in ihrer graphischen Vielfalt und Farbenpracht stammen aus dem LP-Zeitalter der Fünfziger bis Siebziger – älter oder neuer ist nur sehr wenig. Informationen zu den Alben, unsystematisch gestreute Erläuterungen mal über Musiker, mal über Grafiker, mal über beide sowie längere Interviews mit Sammlern, DJs und bekannten Händlern – alle in Englisch, Deutsch und Französisch – ergänzen die vielen Bilder. Das sind schöne Geschichten über das Sammeln von Schallplatten.

© Taschen-Verlag
„Man geht mit Vinylplatten ganz anders um … Emotional ist man mehr drin, wenn man Texte liest, Bilder betrachtet und die Musik fühlt. In meinem Buch über [das Plattenlabel] Impulse! steht, für was manche die Plattenhüllen verwendet haben, um z.B. bei den getrockneten Marihuanablüten die Samen von den Blättern zu trennen. Sie erkannten das beste Album an der Anzahl der Samen, die darin zurückblieben. In den 1960ern und 1970ern war die Beschäftigung mit Musik noch viel mehr ein soziales Ereignis. Das Plattencover war wie eine Tür zur Welt der Musik“, erzählt  Ashley Kahn, Musikhistoriker, Journalist, Produzent und auch Autor der Biografie von Carlos Santana (S. 57).

Und Plattenproduzent Michael Cuscuna: „Ich glaube, der echte Jazzfan sammelt gerne … er interessiert sich für die Hüllen und die Begleittexte. Selbst ich vermisse, wenn ich die Musik höre, nicht den Vinylklang, sondern die Hülle, das Cover. Man kann dort die Begleittexte lesen. CD-Booklets sind für Leute unter 25 gemacht. Ich brauche eine Lupe, um die verdammten Dinger zu lesen.“ (S. 35).

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